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jueves, 17 de diciembre de 2015

Das Ende des Blutvergießens

Die Zeugen Jehovas verweigern aus religiösen Gründen Transfusionen. Ein Krankenhaus in New Jersey operiert sie ohne Blutkonserven. Und beweist: Die Patienten waren anschließend sogar gesünder.

William Walker, ein dürrer Mann mit weißem Haar, hat Darmkrebs. Anästhesisten, Ärzte und Assistenten bereiten ihn für die Operation vor. Sie ziehen ihn aus, decken ihn bis auf den Bauch zu, schließen die Beatmungsmaschine an und bringen die Lampen in Position. Eine Schwester fasst kurz zusammen, was gemacht werden soll, und endet mit Worten, die entscheidend sein können für Wohl oder Wehe des Patienten: „Der Patient ist bloodless, richtig?“ „Richtig“, antworten alle. „Kann ich ein Skalpell haben?“, fragt der Chirurg.

Wer schon mal einen Operationsfragebogen ausfüllen musste, ist vielleicht an der Frage hängen geblieben: Lehnen Sie Bluttransfusionen ab? Dahinter steckt keine Risikoabwägung, sondern die Frage bezieht sich auf ethisch-moralische Bedenken von Patienten.

William Walker hat Ja angekreuzt. Seit 60 Jahren glaubt er an die Lehren der Zeugen Jehovas. Die Religionsgemeinschaft will der Bibel entnehmen können, dass Blut, das den Körper verlassen hat, nicht mehr in den Körper zurückkommen sollte. Transfusionen von Spenderblut kommen noch weniger infrage. Und deshalb lässt sich Walker auch nicht irgendwo operieren, sondern in einem ganz besonderen Krankenhaus: dem „Englewood Hospital and Medical Center“ in der gleichnamigen Kleinstadt in New Jersey, direkt gegenüber der Nordspitze von Manhattan. Die Ärzte hier respektieren die Auffassung der Zeugen. Mehr noch: Die Anhänger dieses Glaubens haben bereits Anfang der 90er-Jahre dafür gesorgt, dass das Krankenhaus seine Strukturen und Praktiken völlig neu überdacht hat. Und davon profitieren nicht nur „Wachtturm“-Leser.

„Blut rettet Leben“ – seit den Weltkriegen war diese Doktrin nicht nur in den Köpfen von Medizinern verankert. Damals wurden Transfusionen erstmals im großen Stil eingesetzt. Aber in den vergangenen Jahren haben Studien gezeigt, dass sie Risiken mit sich bringen (siehe TR 9/2014, S. 46). Wer keine Bluttransfusion bekommt – vorausgesetzt, sein Blutverlust ist nicht zu groß –, wird häufig schneller wieder gesund. Denn fremdes Blut bedeutet Stress für das Herz und das Immunsystem. Die Methode „viel hilft viel“ schadet insbesondere Herzkranken, denn das ohnehin schon geschwächte Organ muss die Konserven zusätzlich pumpen.

Unter dem Schlagwort „Patient Blood Management“ gehen inzwischen zunehmend mehr Krankenhäuser zurückhaltend mit Spenderblut und achtsamer mit Patientenblut um. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt sogar, diese Praxis weltweit einzuführen. Auch in einigen deutschen Kliniken ist die Botschaft angekommen, etwa am Uniklinikum Frankfurt/Main, wo das Patient Blood Management seit 2013 praktiziert wird. Patrick Meybohm, Koordinator des Projektes, meint allerdings: „Die Amerikaner sind uns zehn Jahre voraus.“

Die Pionierarbeit haben Ärzte wie Aryeh Shander in Englewood Anfang der 90er-Jahre geleistet. Sie nahmen damals erstmals Patienten auf, die von anderen Krankenhäusern vor die Tür gesetzt worden waren, weil sie keine Transfusion wollten. „Wenn jemand eine bestimmte Therapie ablehnt, müssen wir einen Weg finden, ihn trotzdem angemessen zu behandeln“, sagt Shander. „Reagiert ein Patient allergisch auf ein Medikament, versuchen wir ja auch, ihn mit gleich gutem Ergebnis zu behandeln wie Nicht-Allergiker.“

(Thomas Reintjes) / (inwu) 

 

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